„Meine Frau sagt, ich reife wie ein guter Wein“

We laugh, We live, We love

Written by Straight Redaktion

24. März 2016

20 Jahre lang spielte Heather Peace in Serien wie London’s Burning, Ultimate Force, der lesbischen Serie Lip Service, Prey oder Waterloo Road mit, nun widmet sich die Engländerin ausschließlich der Musik und tourt ihrer aktuellen EP „Come Home“. In Deutschland war sie damit auch schon. STRAIGHT Autorin Alexandra Friedrich hat Heather Peace getroffen. Ein Gespräch über Ängste, LGBT-Rechte und Musik.

Erinnerst du dich an den ersten Song, den du jemals geschrieben hast? Worum ging es darin?

(Lacht) Ich erinnere mich an meinen ersten Song und er war wirklich, wirklich grauenhaft. Ich habe ihn geschrieben, als ich 13 war, nachdem meine beste Freundin und ich uns entzweit hatten und sie mit einer anderen besten Freundin wegging – wie man das mit 13 tut. Mein erstes Solo als Sängerin war Michael Jacksons „Ben“ mit ungefähr 10 Jahren. Ich spielte Klavier und sang „Ben“ – auch ein Song über einen besten Freund, der eine kleine Ratte ist (lacht). Das war mein Thema. Ich habe mit etwa 14 angefangen Songs zu schreiben. Ich würde aber wirklich nicht behaupten, dass ich eine versierte Songschreiberin war bis wahrscheinlich vor wenigen Jahren. Weil mein Fokus geteilt war mit der Schauspielerei. Du musst dafür Zeit haben, in der du etwas schreibst, weggehst, zurückkehrst, dann wieder weggehst und wieder zurückkehrst. Vor fünf oder sechs Jahren entschied ich mich, mir genug Zeit zu geben, das zu tun.

Deine Frau Ellie und du, ihr habt seit kurzem eure wunderschöne Tochter Annie. Ich kann mir vorstellen, dass es dein ganzes Leben und so auch deine Musik auf den Kopf gestellt hat. Was hat sich hinsichtlich der Musik geändert?

Ich singe die ganze Zeit, aber absoluten Unsinn (lacht). Ich singe für Annie rund um die Uhr, jeden Tag. Wir denken uns meist Lieder aus über ganz lächerliche Dinge. Sie ist noch so jung, aber ich glaube ganz fest daran, dass sie musikalisch veranlagt ist. Wenn sie eine Rassel nimmt, schwöre ich, dass sie sie im Takt zu dem bewegt, was ich tue. Aber Ellie denkt, dass ich übergeschnappt bin – weil sie erst acht Monate alt ist (lacht laut).

Wenn du so sprichst, wirkst du so persönlich und offen, du bist auch sehr nah bei deinen Fans. Wie unterscheiden sich die private und die öffentliche Heather? Oder handelt es sich um die gleiche Person?

Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach: Es ist dieselbe Person. Ich denke, das Einzige, das ich von den Fans fernhalte, ist vielleicht, wenn ich mich schlecht fühle. Ich denke, ich habe den Job und die Pflicht positiv und großzügig zu sein und das auszustrahlen. Zwischen meinen Fans herrscht ein sehr liebevolles Gefühl – sie sind wirklich, wirklich freundlich und gut zueinander und viele von ihnen sind sehr gute Freunde geworden. Ich bin wirklich stolz, dass da Beziehungen und sogar Ehen von Fans entstanden sind, die sich bei Konzerten kennengelernt haben. Was ganz wunderbar ist. Und ich würde zu jeder Person sagen, die das liest, dass das, was du siehst, das ist, was du bekommst. Ich halte nur ein bisschen zurück. Dass ich einen miesen Tag habe, wirst du vielleicht nicht erfahren. Und ich finde, das muss auch niemand wissen.

Was tust du mit diesen negativen Gefühlen? Nutzt du sie für deine Kunst?

Ich nutze sie definitiv für das Schreiben. Ich habe das ganz sicher in der Vergangenheit getan und auch für die neuen Sachen habe ich das kanalisiert. Es ist tatsächlich eher schwierig zu schreiben, wenn man super glücklich ist. Aber seltsamerweise fühle ich mich am schlechtesten, wenn ich keinen künstlerischen Auftrag habe. Wenn also gerade keine Tour, keine Platte oder Ähnliches ansteht, dann verliere ich manchmal ein bisschen die Orientierung. Das kennt jeder Mensch, der frei arbeitet – wenn kein Boss eine Deadline setzt, dann ist es ziemlich schwierig den Schwung zu bewahren. Also, die einzige Zeit, in der ich schlecht draufkomme, ist wenn ich keinen künstlerischen Output habe und wahrscheinlich wäre es dann am besten, wenn ich mich ins Musikzimmer einschließe und mir das bewahre (lacht).

Du wirkst ziemlich kontrolliert – kannst du manchmal auch entspannen und alles um dich herum vergessen?

(Lacht) Der größte Nachteil daran ich zu sein, ist wahrscheinlich meine Unfähigkeit zu entspannen. Ich arbeite definitiv nicht so hart wie andere Menschen, aber meine Arbeit hört nie auf – sie hält mich manchmal sogar nachts wach. Es klingt wirklich lächerlich, aber es geht hier um mehr als Urlaub: Ich denke, das einzige Mal, dass ich wirklich, wirklich abgeschaltet habe, war als Ellie und ich nach Thailand gereist sind und wir eine Hütte am Strand hatten für zwei Wochen. Ich habe keine Socken getragen, kein Make-Up aufgelegt, ich hatte nicht das Gefühl, mich in Schale werfen zu müssen – all das, was mein Job so beinhaltet. Wir sprechen gerade darüber, irgendwann im nächsten Jahr mit der Kleinen wieder dort hinzufliegen, wo ich buchstäblich alles ausschalte: das Telefon ist aus, die Schuhe sind aus, kein Make-Up, die Haare werden nie gebürstet… Ja, ich denke, das war wirklich die einzige Zeit meines Lebens, in der ich vollkommen entspannen konnte. Und es war wunderbar!

Du strahlst eine große Stärke aus – sowohl in deinen Rollen als auch in deiner allgemeinen Erscheinung. Hast du irrationale Ängste?

Oh Gosh! (lacht) Das ist ein reiner Affront jetzt! Ich weiß, ich bin schrecklich. Ich bin komplett verängstigt die ganze Zeit. Ich fürchte mich wahnsinnig davor, total verrissen, zerpflückt und kritisiert zu werden. Wir alle müssen Kritik akzeptieren, aber es dreht mir immer noch den Magen um.

https://www.instagram.com/p/BEUFKADjE0E/?taken-by=heatherpeaceofficial

Hast du Angst vor dem Altern?

JA! (lacht) Meine Frau sagt, ich reife wie ein guter Wein. Tatsächlich behauptet sie, dass ich jetzt hübscher bin, als ich es mit 22, 23 war. Und sie kennt mich seitdem, also schätze ich, sie kann das beurteilen. Ich fühle mich heute viel wohler in meiner Haut und 40 zu werden war okay; das war im Juni. Also, ich fürchte mich vor dem Alter, aber genieße gleichzeitig die Weisheit, die damit einhergeht. Und die Zufriedenheit – ich fühle mich so teuflisch viel zufriedener. Aber vielleicht hat das auch mit dem Baby zu tun. Das verändert dich. Ich weiß nicht… (wird nachdenklich) Ich will nicht sterben. (Lacht laut) Oder NEIN, NEIN, NEIN: Ich will das anders formulieren: Ich will keinen schmerzhaften Tod sterben. Das ist ziemlich beängstigend.

Glaubst du an Gott?

Hm… Ich wurde katholisch geboren und erzogen und das war schon immer ein gewaltiger Teil meines Lebens. Wirklich, bis ich mich outete und merkte, die Kirche wird nicht dafür sein. Also machte ich all diese Zweifel durch und bin weiterhin zur Kirche gegangen – Macht der Gewohnheit, nehme ich an. Ich sage einfach mal, dass ich Agnostikerin bin, an der Grenze zum Atheismus. Aber das liegt vielleicht daran, dass meine Frau Wissenschaftlerin ist. Es hilft nicht, eine Wissenschaftlerin im Haus zu haben, die alles schlecht macht. Ich würde gerne an etwas glauben, denn oft sitze ich einfach hier und denke, was ist der Zweck des Ganzen? Was soll das alles? Ich denke, das alles muss einen Sinn haben.

Du bist katholisch aufgewachsen. Ein wichtiges Thema in der katholischen Kirche ist die Sünde. Was bedeutet Sünde für dich? Was schießt dir als Erstes durch den Kopf, wenn du an den Begriff denkst?

Schuld! (lacht) Katholische Schuld. Wir sind früher immer zur Beichte gegangen und ich grübelte vorher: Was kann ich dem Priester sagen? Ich kann ihm das oder das nicht erzählen, das ist viel zu unartig. Oh, ich weiß, ich erzähle ihm einfach die Standardgeschichte, dass ich grob zu meiner Mutter war und schrecklich zu meinem Bruder. Das sind die zwei Dinge, die ich meist in der Beichte erzählte. Und ich hoffte, dass Gott all die anderen sehen kann. Und ich dachte, der Priester sei Gott. Weißt du, was ich meine? Er war nur ein Mann, oder? Und ich sollte ihm alles erzählen, weil er anscheinend Gottes Ohr war. Schon als Kind fand ich, das ist totaler Unsinn, das kann nicht wahr sein. Deshalb entschied ich, dass er mein Tiefstes, mein Dunkelstes nicht zu kennen braucht.

Wo wir beim Thema Sünde sind: Gibt es eine der sieben Todsünden, der du dich besonders nahe fühlst, näher als den anderen? Die Sünden sind: Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Faulheit.

(Überlegt) Keine davon wirklich.

Du bist vielleicht eine Heilige.

Neeeein. Es ist wahrscheinlich irgendwas, das ich nicht zugeben will, oder? (lacht)

Also keine Heilige – aber du bist eine politische Aktivistin, könnte man sagen. Du setzt dich ein u.a. für die Rechte von LGBT-Menschen. Siehst du dich als öffentliche Person in der Verantwortung etwas zu tun?

Es passierte eher zufällig. Ich wurde eingeladen, die Schirmherrin von Wohltätigkeitsverbänden zu werden wie zum Beispiel dem Albert Kennedy Trust, der sich um junge LGBT-Obdachlose kümmert, die zu Hause rausgeworfen wurden. Und Manchester Pride war ein großer Teil meines Lebens, also engagierte ich mich da. Aber ganz sicher gilt zum Thema LGBT: Wir sind präsent, wir sind da! Klar gibt es Homophobie und ich würde jederzeit jemanden darauf stoßen. Ich bin stolz, dass ich out bin und sichtbar, um – ich hasse das Wort – um Homosexualität zu normalisieren. Es gibt Menschen in diesem Land, die vielleicht keine Freunde haben, die schwul oder lesbisch sind. Und wenn sie mich in „Waterloo Road“ sehen und denken „Oh, sie ist tatsächlich lesbisch im wahren Leben“, dann könnte das vielleicht ihre Wahrnehmung ändern.

Discover

related

GDPR Cookie Consent mit Real Cookie Banner